Freitag, 26. September 2014

Buchpreisbindung gegen die Tyrannei des Marktes?

Kurier, Standard (1,2) und Presse (1) berichten vom Vorhaben die Buchpreisbindung auch auf e-books auszuweiten. Der Standard schreibt:
Laut Ostermayer ist es "im Sinne der Vielfalt" wichtig, "Bücher zu schützen und ein Marktumfeld zu schaffen, das eine hohe Anzahl an Verlagen und Veröffentlichungen ermöglicht". Bis zum Weihnachtsgeschäft soll das Gesetz dahingehend geändert werden, "dass E-Books ausdrücklich in den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes aufgenommen und die Ausnahme des grenzüberschre itenden elektronischen Handels gestrichen werden", so die Novelle im Wortlaut.
Aber ist das wirklich eine gute Idee, wenn wenige (Autoren, Verlage, grosse Buchhändler) auf Kosten vieler (Buchkonsumenten) besser gestellt werden? Wie Wikipedia schreibt gibt es in 11 europäischen Ländern Buchpreisbindungen, d.h. 17 Länder habe keine derartige Marktregulierung.

Was soll eine Buchpreisbindung erreichen? Die Befürworter bringen zumeist kulturelle Argumente vor. Ohne Buchpreisbindung würde würden weniger Bücher angeboten und Nischenprodukte würden zugunsten von Bestsellern verdrängt. Mit Buchpreisbindung würden Bestseller Nischenprodukte quersubventionieren und damit hochwertige Bücher produziert.

Allerdings gibt es dafür keine Garantie. Es müssen ja nicht die Bestsellerverlage jene sein, die Nischenprodukte auf den Markt bringen. Daher ist nicht sichergestellt, dass die "Monopolgewinne" für kulturell hochwertige Bücher verwendet werden. Der Buchhandel und die Autoren argumentieren, dass die Buchpreisbindung "ruinösen" Wettbewerb unterbindet und eine größere Vielfalt von Verlagen und Buchhändlern am Leben erhält und Autoren ein höheres Einkommen ermöglicht.

Aber stimmt das wirklich, dass eine Aufhebung der Buchpreisbindung zu einer Reduktion der Vielfalt führt? Verfügbare Studien sagen großteils nein. Nach dem Wegfall der Buchpreisbindung in der Schweiz lies sich kaum was beobachten, ebenso wenig in Großbritannien wo die Buchpreisbindung 1997 fiel. Hanreich et al. argumentieren dass die Buchpreisbindung wegen hoher Fixkosten gerechtfertigt sein könnte, weil dann kulturelle Vielfalt bestehen bleiben kann. Allerdings wurde diese Studie vor dem Aufkommen von Amazon und e-books geschrieben. Heute sind kleine Buchhändler sind ohnehin nur dann gegen die online-Konkurrenz wettbewerbsfähig wenn sie über spezifische Kompetenzen verfügen. Es wird sogar argumentiert, dass die Buchpreisbindung in Deutschland Amazon subventioniert hat. Diese Kartellgewinne gehen auf Kosten der Konsumenten, die wegen der höheren Buchpreise wahrscheinlich weniger Bücher gekauft haben. Wahrscheinlich weniger Bestseller aber nicht nur. Amazon kann dadurch den Versandhandel mit anderen Produkten als Büchern quersubventionieren.

Somit erscheint die Buchpreisbindung nicht unbedingt die richtige Form zu sein um agressive Internethändler im Zaum zu halten. Hier kann letztlich nur das Wettbewerbsrecht helfen und keine Buchpreisbindung der Welt. Dies gilt insbesondere für e-books. Diese können ja auch von Internethändler oder gar Autoren selbst gemacht werden. Denn es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen e-books und normalen Büchern. Der Druck führt dazu, dass die Produktion von Büchern durch hohe Fixkosten charakterisiert ist. Es braucht Verleger und eine  relativ kostspielige und schwer zu organisierende Logistik . Dagegen hat die Produktion von e-books viel geringere Fixkosten. die Funktion des Verlegers, der die Vorselektion von Büchern übernimmt fällt im Internetzeitalter weg und der Vertrieb kann im Notfall auch über e-mail erfolgen. Andere Informationsbrooker können die Funktion der Verleger übernehmen, ohne dass sie unbedingt mit der Produktion von Büchern betraut sind. Das zeigt, dass die Ausweitung der Buchpreisbindung kaum ein wirksames Mittel gegen die Veränderung in der Buchproduktion ist. Wie der Standard schreibt hat Ostermayer (Bundesminister für Kunst, Kultur und Median) auch vor dies direkte anzugehen:
Im "Kurier" kündigt Ostermayer eine Anhebung der Verlagsförderung um zehn Prozent von zwei Millionen auf 2,2 Millionen Euro im Jahr und eine Ausweitung von Projektstipendien für Literaten von 40 auf 50 an.
Ich traue mich zu wetten, dass dies letztlich nur dazu führt, dass weiter Bücher gemacht werden, die ohnehin gemacht würden und Verleger größere Autos fahren (teuerere Kleider kaufen können sofern sie ohne Auto auskommen) können als ohne Förderung. Denn alle Subventionen (Buchpreisbindung oder direkte Förderung) führen zur Umlenkung von Ressourcen und zu Mitnahmeeffekten. Von einer Schinkenpreisbindung oder einer CD-Preisbindung redet keiner, dabei sind diese Artefakte auch kulturell hochwertige Produkte. Für die Vielfalt der Produktion sorgt die Nachfrage sofern die Fixkosten nicht zu einer tyranny of the market führen, wie von Joel Waldfogel für Bibliotheken, Restaurants und Radio nachgewiesen wurde.

Das e-book führt zu einem technologischen Wandel bei der Buchproduktion, wie er schon in der Musikwirtschaft eingetreten ist. Joel Waldvogel (ja schon wieder der) schreibt über die Digitalisierung im Musikbereich:

Although recorded music revenue has collapsed since the explosion of file sharing, results elsewhere suggest that the quality of new music has not suffered. One possible explanation is that digitization has allowed more firms to bring music to market using lower-cost methods of production, distribution, and promotion. Forces increasing the number of products released may allow consumers to discover more appealing choices if they can sift through the offerings. Digitization has promoted Internet radio and online music reviewers, providing alternatives to radio airplay as means for new product discovery. To explore this, the author assembles data on new music released between 1980 and 2010, and on particular albums’ sales, airplay on traditional and Internet radio, and album reviews at Metacritic since 2000. He documents that the total quantity of new albums released annually has increased sharply since 2000, driven by independent labels and purely digital products. Second, increased availability has been accompanied by reduced concentration of sales in the top albums. Third, new information channels change the number and kinds of products about which consumers have information. Fourth, more albums find commercial success without substantial traditional airplay. Finally, independent label albums account for a growing share of commercially successful albums.

Der technologische Wandel hin zu einer Produktionsstruktur mit geringeren Fixkosten (online statt CD oder Platte) hat zu einer geringeren Konzentration (Bestseller), mehr Diversität im Angebot und damit zu mehr unterschiedlicher Musik für Konsumenten geführt. Nur die grosse Musikindustrie leidet drunter, während exotische Interpreten, Autoren und Konsumenten Vorteile haben, sofern sie diese nutzen wollen und können.

Könnte es daher nicht auch so sein, dass die Konsumenten aufgrund niedrigerer Buchpreise (fehlende Buchpreisbindung) mehr und unterschiedlichere Bücher kaufen? Vielleicht auch solche österreichischer Autoren? Die Idee von Quersubventionen auf der Angebotsseite ist in der Regel der Konsumentensouveränität unterlegen. Niedrigere Preise könnten auch die Tendenz zum Zweit(e-)buch stärken.

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