Donnerstag, 30. Mai 2013

Liquidationismus und nicht-keynesianische Effekte

Der Liquidationismus is die Idee, dass die Rezessioinen der Preis ist, den wir für die Booms zahlen. Das Leiden in der Rezession ist eine notwendige Folge der für die exzessive Expansion in den Boomjahren. Diese These ist oft mit der österreichischen Schule in Verbindung gebracht worden. Besser bekannt unter dem Namen Überinvestitionstheorie. Rezessionen sind die Rache für Fehlinvestitionen, die wegen falscher Geldpolitik getätigt wurden. Ein Problem mit dieser Argumentation ist, dass auch der Konsum in einer Krise fällt, obwohl durch die Reallokation der Ressoucen in "richtige" Verwendung (Konsum oder andere Investitionen) eigentlich zu einer Expansion in anderen Sektoren kommen. Das passiert nicht. Aber dennoch hat der Liquidationismus eine gewisse fatale psychologische Attaktivität: Wir müssen für unsere Sünden büßen. Klingt individuell ok, ist aus der Rechtsprechung auch nicht ganz wegzudenken, ist aber gesamtwirtschaftlich gefährlicher Unsinn, denn es geht in der gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht darum einen Schuldigen zu finden (Staat, Banken, Sozialisten, Kapitalisten) sondern um die Beurteilung von Maßnahmen, die den gesamtwirtschaftlichen Schaden (Arbeitslosigkeit, Einkommensverluste) minimieren.
Beim Liquidationismus alter Schule vermisse ich oft  diese Einsicht. Denn dass es uns jetzt schlecht geht ist darauf zurückzuführen, dass wir zuvor über unsere Verhältnisse gelebt haben, deshalb kann man nichts tun.

Aber es gibt eine andere Form des Liquidationismus, den vor allem südeuropäische Ökonomen vertreten. Die antikeynesianische Position und der Glaube an anti-keynesianische Effekte ist in Südeuropa deutlich ausgeprägter. Noah Smith schreibt:
Regarding South European economists, my evidence is anecdotal, but every single Italian, Spanish, and Greek economist I've talked to has seemed very down on the notion of fiscal stimulus, and highly disdainful of Paul Krugman. Alberto Alesina seems to be an exemplar of their thinking. When discussing stimulus spending, they tend to predict that this spending will be captured by special interests and wasted. Monetary easing receives scarcely more respect. Inevitably, any discussion of the European crisis leads quickly to a discussion of broken institutions in the Southern European countries - poor tax collection systems, over-regulation, sclerotic labor markets, political corruption, and even a poor cultural work ethic.
Kann man nachvollziehen. Allerdings muss auch die Frage gestellt werden, ob nichts-tun hilft. Jeffrey Frenkel glaubt überhaupt nicht daran und erinnert uns dass die Auseinandersetzung zwischen Reinhard und Rogoff und Krugman (1,2) nicht die richtige ist. Die wahren Liquidationisten seien Alberto Alesina und Koauthoren. Alberto Alesina glaubt immer noch, dass nicht-keynesianische Effekte dominieren würden.

Die Interessantere Frage für mich in dem Zusammenhang ist ob fiskalische Zurückhaltung Strukturreformen fördert oder nicht. Die Politikökonomen gehen oft davon aus, weniger Staatsausgaben = Strukturreform. Nun ja, genau das glaube ich weniger. Arbeitsmarktreformen oder kluge Deregulierungen sind nicht eine Frage von Ausgabenkürzungen. Die politische Realität in Italien, Spanien und Griechenland legt auch nicht unbedingt davon Zeugnis ab. Es gibt plausible Überlegungen, die nahelegen, dass Sparpolitik und Strukturreformen in Rezessionen politisch nicht gleichzeitig durchsetzbar sind. Überdies gibt auch etwas an Evidenz dafür, dass die Effektivität von der Qualität der Institutionen abhängt und dann beißt sich die Katze in den Schwanz.

Insgesamt ähnelt das ideologische Korsett Alesinas etwas jenem der Liquidationisten. Alesina ist auch deren Posterboy. Wenn eine solche Politik in Europa aber mit hohen gesellschaftlichen Kosten verbunden ist, könnte in Zukunft auch wieder einmal ein eigentlich liberaler Ökonom kommen und ein ähnlich vernichtendes Urteil  über Alesina und Konsorten fällen, wie Milton Friedman über die Überinvestitionstheorie der österreichischen Schule:
Ich denke, dass die Überinvestitionstheorie der Österreichischen Schule der Welt schweren Schaden zugefügt hat. Wenn man in die 1930er Jahre zurückgeht, die ein entscheidender Zeitpunkt waren, dann sieht man die Vertreter der Österreichischen Schule – Hayek und Lionel Robbins – in London sitzen und sagen, dass man die Dinge zu Bruch gehen lassen muss. Man muss es der Selbstheilung überlassen. Man kann da gar nichts machen. Alles was man tut wird es nur schlimmer machen. […] Ich denke, dass sie durch die Ermutigung zur Tatenlosigkeit sowohl in England als auch in den Vereinigten Staaten geschadet haben.
Genauso wie die Finanzmärkte, Geldpolitik oder Regulierungen sind Staatsausgaben nichts an sich Verwerfliches. Es kommt vielleicht eher drauf an wie effektiv und effizient sie gestaltet sind.

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